Kronberg (aks) – St. Johann erstrahlte am vierten Advent in vorweihnachtlicher Pracht mit den zwei stattlichen Tannenbäumen, die mit Strohsternen geschmückt, den Altarraum erhellten. Schnell füllte sich die Kirche, hinten mit gut gelaunten Besuchern und vorne mit dem Chor der Johanniskirche, dem Mädchenchor und den Knaben des Kinderchors und dem Orchester, das vorwiegend aus Kronberger Jugendlichen bestand. Eine Wohltat, nach den erschöpfenden Weihnachtseinkäufen und -feiern in diese vorweihnachtliche Stille einzutreten und endlich so etwas wie Besinnlichkeit zu fühlen. Die ersten Weihnachtslieder sang der Chor a-cappella, einfache volkstümliche Weisen – mal ohne Pauken und Trompeten. Es war eine Freude, die kleinen Kindergesichter der jüngsten Chormitglieder zu betrachten, die sich alle Mühe gaben mit den Großen mitzuhalten und nie ihre Fröhlichkeit und Sorglosigkeit verloren – auch wenn der eine den anderen mal in die Seite knuffte. Auch der Kleinste hielt mit seinen acht Jahren tapfer die eineinhalb Stunden bis zum Ende durch. Die Solisten waren ein weiterer Höhepunkt an diesem Adventsabend. Herausragend „Maria durch ein Dornwald ging“, ursprünglich ein Wallfahrtslied aus dem 19. Jahrhundert, das Bernhard Zosel wohl als besonderes Geschenk für Kronberg neu vertont hatte. Die Mezzosopranistin Josephine Rösener berührte die Menschen mit ihrer hellen ausdrucksstarken Stimme, begleitet wurde sie anfangs nur von einer Triangel, dann kamen noch eine Trompete und ein paar Streicher dazu – dieses ungewöhnliche Zusammenspiel wirkte zauberhaft und doch modern. Die bekannte Advents-Motette „Ex Sion“ von Rheinberger, dem berühmten Orgel-Komponisten aus dem 19. Jahrhundert, erklang ohne Orgel, aber mit herrlichem Chorgesang.
Die prachtvolle Orgel von St. Johann kam dann mit Lars-Simon Sokola zum Einsatz, der die Missa pastoralis bohemica von Jakub Ryba anstimmte. Diese Messe, die als schönste tschechische Weihnachtsmusik gilt, klingt wie ein Märchen und erzählt die Geschichte von vier Hirten und ihrem Meister, dem Aufseher der Schäferei – eine echte Pastorale. So erinnert die Musik auch eher an schlichte Volksweisen und Krippenspiele als an die Tradition der klanggewaltigen Oratorien von Händel und Bach. Dabei verzichtet Ryba auf die eigentlich vorgeschriebenen Mess-Texte auf Latein – schließlich sprechen Hirten kein Latein und Jesus hätte sie wohl auch nicht verstanden... Die Geschichte ist so bekannt wie anrührend: Die Hirten erfahren die frohe Botschaft von der Geburt Jesu von einem Engel und folgen dem Stern bis nach Bethlehem, wo sie das „Himmelskind“ mit „schöner Musik“ beschenken. Im Graduale meint man Anklänge von Mozarts Zauberflöte zu hören – mit Flöten und gezupften Geigen. „Jeder bläst und zupft so gut er kann“... und fürs Ständchen dem Gotteskind zu Ehren erklingen dann doch Pauken und Trompeten. So groß ist die Freude: „Ehre sei, oh Kindlein dir!“. Allzu menschlich ist der Dialog zwischen Tenor Florian Bauer, der seinen Meister mitten in der Nacht aufweckt, weil er ein helles Licht bemerkt, und dem ungehaltenen, weil um den Schlaf gebrachten, Bass Björn Olaf Peters, als waschechter Hirte verkleidet. Bemerkenswert, dass die Sopranistin Katka Richtarova auf tschechisch sang. Im Duett mit Josephine Rösener brillierte sie als Engel. Das Benedictus, in dem die Hirten vor dem Kind knien ist voller Ehrfurcht, getragen und feierlich. Die Freude über den kleinen Jesus, der in einem Stall in einer Krippe liegt, ist ansteckend – schon seit über 2.000 Jahren.
Vor dem finalen „Agnus Dei“ der Messe hatte Zosel Weihnachtslieder eingefügt und so durften alle Chormitglieder und Solisten nach Herzenslust ihrer Sangesfreude Ausdruck verleihen. Nach einigem Papiergeraschel und hilflosen Blicken der kleinen Chorsänger in die Noten des Nebenmanns – was singen wir jetzt? – ertönten bekannte Jubelgesänge wie „Puer natus in Bethlehem“ von Rheinberger, „Ich steh an deiner Krippen hier – ich sehe dich mit Freude an“ von Bach sowie ein irisches, ungarisches und ein spanisches Weihnachtslied mit Kastagnetten, die rhythmisch und fröhlich die Herzen zum Schwingen und Singen brachten.
In schönster Harmonie mit dem Chor der vielen Großen und Kleinen ist Bernhard Zosel an der kleinen Positiv-Orgel immer geduldiger und begeisterter Leiter, der weiß wie er seine Schäfchen bei Laune hält und zu großen Leistungen führt. Herzerfrischend, dass auch Orchestermitglieder mitsangen. Ein besonders Lob gilt Moritz Urbanski und Jakob Adomeit der Knaben des Kinderchores, die mit mitreißender Hingabe, text- und notensicher, ihre reinen Sopranstimmen einsetzten und die Weihnachtslieder zu einem Musikerlebnis machten, das unter die Haut ging. Das Weihnachtskonzert war mit dem anschließenden letzten Teil der „Missa pastoralis“, dem „Agnus Dei“ noch nicht vorbei, in dem die Hirten mit einem tröstenden Wiegenlied zurück nach Hause gehen – voller Hoffnung auf ein erfülltes Leben. Sie bitten das Kind in der Krippe nur um eins: „Schenk uns Frieden!“ Die Messe von Ryba war in ihrer märchenhaften Schlichtheit eine musikalische Entdeckung für die meisten Besucher an diesem Abend in St. Johann. Entsprechend begeistert war der Applaus.
Zosel forderte die Kinder zum großen Finale auf, das „Gloria in excelsis deo“ nach Herzenslust zu schmettern – und das klang großartig, vor allem mit der Solistin Josephine Rösener, die sich zu einer kleinen Improvisation hinreißen ließ, die ihr spontan Beifall und fröhliche Lacher einbrachte.
Was wäre ein Weihnachtskonzert ohne leidenschaftliche Gesangseinlage des festlich gestimmten Publikums? So forderte Zosel zum Schluss alle heraus: „Tochter Zion“ wurde zum anschwellenden dezibel-starken Freudengesang, der bestimmt ganz oben im Himmel ankam. „Schön!“, seufzte eine Dame beim Verlassen der Kirche. Der Adventssonntag in St. Johann wandelte die Vorfreude auf Jesu’ Geburt in klingendes Weihnachtsglück ...